Radlegende Täve Schur
DDR-Sportlegende Täve Schur steigt am Wochenende selbst gern noch aufs Rad. Wie sich der 88-Jährige fit hält? Mit wenig Alkohol und jeden Morgen Haferflocken, sagt er.

Es gibt wohl kaum einen anderen Sportler, dessen Erfolge so lange zurückliegen, der aber noch immer Autogramme gibt, als sei er gestern zurückgetreten. Gustav Adolf Schur, von den Fans im Osten der Republik nur „Täve“ genannt, ist immer noch ein bisschen der rastlose Klassenkämpfer mit großer Fangemeinde. Als er im Mai zum Leichtathletik-Jugendmeeting im Steyer-Stadion zu Gast war, standen die Leute Schlange, um ein Foto oder ein Autogramm zu bekommen.

Geduldig erfüllt er jeden Wunsch, und ihm ist anzumerken, dass er die Öffentlichkeit selbst mit 88 Jahren noch genießt. Beinahe jedes Wochenende ist Schur unterwegs. Eines seiner beiden Weltmeistertrikots hat er kürzlich im ehemaligen Konzentrationslager Theresienstadt übergeben. Ein wichtiges Anliegen, wie er betont.

Meistens ist Täve Schur prominenter Gast bei Sportveranstaltungen. Zur Junioren-Friedensfahrt nach Altenberg war er beispielsweise im himmelblauen Oldtimer-Trabi mit einer weißen Friedenstaube auf der Motorhaube gemeinsam mit dem befreundeten Dolmetscher Karel Gerolt gefahren, um die Sieger zu ehren. Seine fröhliche Art, manchmal verbunden mit einem frechen Spruch, kommt gut an.

Am Wochenende steigt Täve oft selbst noch aufs Rennrad. „So 50 bis 60 Kilometer fahre ich dann“, sagt er mit ein bisschen Stolz. „Die meisten sind ja faule Hunde und sitzen nur im Auto – ich nicht.“ Natürlich müsse nicht jeder gleich zum Rennfahrer werden, aber für Bewegung sei man nie zu alt. Die 24. Auflage des SZ-Fahrradfest am 7. Juli setzt genau dort an und bietet verschiedene Strecken für Familien bis zum ambitionierten Hobby-Radler an – von fünf bis 140 Kilometern. „Eine gute Sache, die es seit vielen Jahren in Dresden gibt. Ich war ja auch schon mit dabei“, sagt der Amateur-Weltmeister von 1958 und 1959 und zweimalige Sieger der Friedensfahrt.

Warum er so drahtig und fit sei, begründet er mit seiner gesunden Lebensweise. Alkohol trinkt er nur, „wenn es sein muss“ und bemüht sich, fleisch- und fettarm zu essen. Jeden Morgen startet Täve beispielsweise mit Haferflocken in den Tag.

An Dresden und vor allem die Friedensfahrt hat Täve besondere Erinnerungen. Zweimal war die Landeshauptstadt Etappenort für die berühmte und beliebte Rundfahrt, die im überfüllten Heinz-Steyer-Stadion vor fast 50.000 Zuschauern endete. „1955 kamen wir von Karlovy Vari über die Höhen, und 1960 sind wir in Frankfurt gestartet“, erzählt er.

1955 hatte der damals noch in Dresden existierende Stadtfunk Lautsprecher installiert und die Originalübertragung von Rundfunk-Reporter Heinz-Florian Oertel draufgeschaltet. Am Postplatz standen die Leute in einer dichten Traube um den Lautsprecher und jubelten, als Oertel verkündete, dass Schur mit der Spitzengruppe Possendorf erreicht hatte.

Doch in Dresden angekommen, passierte auf den letzten Kilometern vor dem Ziel ein Massensturz, in den auch der Favorit verwickelt wurde. Der Belgier Joseph Verhelst nutzte die Gunst der Stunde und rollte über die Aschenbahn ins Steyer-Stadion und durfte als erster Etappensieger in der damaligen Bezirksstadt einen kleinen Löwen aus dem Dresdner Zoo taufen.

Sein Sturz ist Täve Schur nicht mehr so genau im Gedächtnis geblieben, viel wichtiger: „Ich habe in dem Jahr trotzdem die Friedensfahrt gewonnen.“ Was er aber nie vergessen wird, ist die Begeisterung: „Was sich da alles an die Strecke bewegt hat. Überall hatten die Kinder Wimpelketten gebastelt. Alle standen hinter uns und dieser Rundfahrt. Das vergisst man nicht, und es hat die Herzen erwärmt“, meinte Schur, nachdem 2005 ein von der Sternwarte im Erzgebirge entdeckter Asteroid „Täve“ genannt wurde.

Text: Michaela Widder
Bild: Nikolai Schmidt


Zurück zur Übersicht